Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Zwischen Spielplatz und Mitarbeitergespräch.

Eine Mutter, die Teilzeit arbeitet - und als leitende Führungskraft bei der NÜRNBERGER verantwortlich ist für über 50 Mitarbeiter des Servicecenters im Bereich Human Resources. Dabei sieht sich Kathrin Schaffner weder als Exotin noch als Pionierin: "Es sollte eigentlich in unserer Gesellschaft nichts Besonderes sein, dass eine Führungskraft Teilzeit arbeitet, und damit meine ich Frauen und Männer gleichermaßen." Sie ist mit ihrer Familie dafür ein gutes Beispiel.

Familie und Beruf vereinbaren

"Außenstehenden fällt es meist gar nicht auf, dass ich Teilzeit arbeite", erzählt Kathrin Schaffner. Für sie und Ehemann Bernd stand schnell fest, dass sie sich beide zu gleichen Teilen um die Erziehung ihres Sohnes Luis kümmern möchten - Führungsposition hin oder her. Doch wie bekommt man das im Alltag umgesetzt? Damit Luis zwei gleichberechtigte Bezugspersonen bekommt, gab bereits die Hebamme Tipps, was die Familie dafür tun kann. "Ohne diese Unterstützung und frühzeitige Vorbereitung wäre es viel schwieriger gewesen", ist sich Kathrin Schaffner sicher, "so achteten wir etwa darauf, dass auch mein Mann viel Zeit mit Luis allein verbringt, obwohl ich die ersten 6 Monate nach der Geburt Elternzeit genommen habe. Dadurch konnte ich mit meinem Team regelmäßig in Kontakt bleiben und an wichtigen Terminen teilnehmen - manchmal sogar mit Kind."

Zitate

"Führung in Teilzeit ist nicht nur ein Frauending."

Kathrin Schaffner, Leiterin des NÜRNBERGER HR Servicecenters

Kind und Karriere?

Doch von Anfang an: Als Kathrin Schaffner Ende 2017 schwanger wurde, stand der Bereich Human Resources vor einer Umstrukturierung und die Führungskräfte mussten sich auf die ausgeschriebenen Positionen bewerben. Hier stand für sie durchaus die Überlegung, welche Hierarchieebene sie sich mit Kind zutrauen könne: Die nächste Karrierestufe (Bereichsleitung) angehen, auf der bisherigen Ebene (Abteilungsleitung) bleiben oder künftig auf Mitarbeiterverantwortung verzichten? "Bei der Entscheidung bestärkte mich sowohl mein Partner als auch meine frühere Tätigkeit bei der NÜRNBERGER. Denn ich begleitete als Projektleiterin die Initiative ,Frauen in Fach- und Führungspositionen' und habe auf branchenübergreifenden Netzwerkveranstaltungen viele tolle Frauen kennengelernt. Seitdem weiß ich, dass Teilzeit und Führung kein Widerspruch sein muss. Ich war damals bereits begeistert und habe mich für entsprechende Maßnahmen eingesetzt. Das hat mich ermutigt, den nächsten Schritt zu gehen. Dazu kommt das Vertrauen meiner Führungskräfte in mich und meine Fähigkeiten", gibt Kathrin Schaffner Einblick.

Zitate

"Loslassen-Können: Wichtig ist, dass am Ende das Ergebnis stimmt."

Kathrin Schaffner, Leiterin des NÜRNBERGER HR Servicecenters

Überhaupt ist Vertrauen und Loslassen-Können bei Führung in Teilzeit immens wichtig und zwar nicht nur beruflich, sondern auch privat. "Ich vertraue meinem Mann, dass er es auf seine Art und Weise mit unserem Sohn genauso richtig macht wie ich. Beruflich half es mir, dass ich nach 6 Monaten Pause auf eine neue Stelle als Leitende in einen komplett umstrukturierten Bereich kam. Dies war die große Chance, mich auf Managementaufgaben zu fokussieren und mich aus dem operativen Bereich weitgehend herauszuhalten. Dafür habe ich meine drei Teamleiterinnen und kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter", schildert Kathrin Schaffner. Ebenso kommt Teilzeit(führungs)kräften wie ihr entgegen, dass die Corona-Krise ein Umdenken, was die Präsenzpflicht angeht, beschleunigt hat. Digitalisierung, neue Kommunikationsmöglichkeiten, größere Flexibilität von Arbeitszeit und -ort eröffnen neue Möglichkeiten und lassen Beruf und Familie leichter vereinbaren. Durch vermehrtes Homeoffice verliert die physische Anwesenheit einer Führungskraft zunehmend an Bedeutung.

Links zieht eine Frau ihr Kind an - rechts montiert die gleiche Frau einen Fahrradanhänger

Das sprichwörtliche Jackett über dem Bürostuhl oder das Licht, das bis spätabends im Büro brennt, haben zunehmend ausgedient. Es gibt schließlich Ziele, die es zu erfüllen gilt und die mehr über den Erfolg eines Bereichs aussagen als die bloße Präsenz. Kathrin Schaffner arbeitet hier konsequent mit dem Klären von Erwartungen sowohl in der Hierarchie nach oben als auch nach unten. Der Job ist gut gemacht, wenn klar definierte Ziele bzw. Erwartungen erfüllt sind: Was nehmen wir uns vor, was haben wir erreicht? Jeder - von der Führung bis zum Mitarbeiter soll wissen, was sein Beitrag ist. "Gerade im Zuge der Umstrukturierung und nach meiner Elternzeit, waren für mich die Gespräche mit meinem Chef, was er von mir als Leitende erwartet, wichtige Leitplanken. Umgekehrt formuliere ebenso ich meine Erwartungen an ihn. Das gleiche gilt für meine Teamleiterinnen. Um festzustellen, ob ich zu nah dran oder zu weit weg bin, hilft nur eines: vertrauensvoll miteinander sprechen", bekräftigt Kathrin Schaffner.

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"Frauen sollten sich trauen, öfter mal ins kalte Wasser zu springen und Selbstzweifel überwinden."

Kathrin Schaffner, Leiterin des NÜRNBERGER HR Servicecenters

Was unterscheidet nun eigentlich eine Teilzeit- von einer Vollzeitführungskraft? "Außer der wöchentlichen Arbeitszeit - hoffentlich nichts", antwortet Kathrin Schaffner schmunzelnd. Schließlich kann sie auf einige Jahre Erfahrung als Abteilungsleiterin in Vollzeit zurückblicken. Insgesamt hat sich in den letzten Jahren in der NÜRNBERGER Unternehmenskultur durch den Change viel geändert und damit auch der Führungsstil an sich. Es herrsche ein größeres Verständnis, die Bedürfnisse der Mitarbeiter und ihre Belastungsgrenze werden ernster genommen. Die Mitarbeiter zeigen gerade angesichts der Corona-Krise eine hohe Eigenverantwortung und viele Eltern haben den Anspruch, die Situation selbst hinzubekommen. Kathrin Schaffner muss es wissen, denn ihr HR Servicecenter ist für die Personalangelegenheiten aller Mitarbeiter zuständig. In diesem Zusammenhang ist es ihr wichtig, sich von Stereotypen zu lösen und in der Kommunikation neutraler zu werden. "Sagt ein Mann, dass er bald Vater wird, heißt es herzlichen Glückwunsch. Bei einer Frau kommt meist im gleichen Atemzug die Frage nach Teilzeit. Anstatt neutral zu fragen, ob sie schon wisse, wie sie nach der Geburt arbeiten möchte", nennt Kathrin Schaffner dafür ein Beispiel. Insgesamt hat sie festgestellt, dass Männer eher bereit sind, ins kalte Wasser zu springen und sich freizuschwimmen, wenn es um neue Herausforderungen geht. Dadurch ist ihre Lernkurve höher. Frauen sind da zögerlicher, trauen sich oft weniger zu und warten eher bis das Wasser lauwarm ist. "Ich würde mir wünschen, dass mehr Frauen den Sprung ins kalte Wasser wagen, ihre Selbstzweifel überwinden und sich sagen, wenn der andere mir das zutraut, dann schaffe ich das." Auch Kathrin Schaffner wird wieder ins kalte Wasser springen, denn im Juli 2021 erwartet sie ihr zweites Kind.

Führung in Teilzeit (noch) selten

Teilzeit ist unter Managern eine Seltenheit: Weniger als 5 Prozent der deutschen Führungskräfte reduzieren ihre Arbeitszeit. Ähnlich sieht es in den meisten europäischen Ländern aus (Quelle: Hans-Böckler-Stiftung). Bei der NÜRNBERGER Versicherung arbeiten über alle Hierarchieebenen hinweg sieben Prozent der Führungskräfte Teilzeit (Stand 31.12.2020).

Warum ist das so? Mit dieser Frage haben sich u. a. Prof. Dr. Anja Karlshaus beschäftigt, die den Fachbereich Personal und Unternehmensführung an der Cologne Business School (CBS) leitet, sowie Angela Fauth-Herkner, die als Inhaberin eines Beratungsunternehmens über langjährige Erfahrung im HR-Management verfügt. Beide haben jeweils verschiedene Publikationen und Beiträge zum Thema Führen in Teilzeit veröffentlicht und kennen vielfältige Hinderungsgründe, z. B.:

  • Hohes zeitliches Engagement ist als Leistungsmaßstab verinnerlicht.
  • Teilzeitarbeit ist oft noch negativ besetzt und wird mit Halbtagsbeschäftigung, Frauenarbeit, wenig qualifizierter Arbeit sowie Einkommenseinbußen gleichgesetzt.
  • Es besteht der Anspruch, dass eine Führungskraft für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglichst gut oder immer erreichbar sein müsse. Dabei wird übersehen, dass Führungskräfte auch in Vollzeitarbeit häufig durch Termine, Sitzungen etc. nicht erreichbar sind. Ob diese stets sinnvoll bzw. produktiv sind, sei dahingestellt.
  • Es herrscht mangelnde Bereitschaft, Verantwortung zu delegieren: Aus Angst vor Macht- bzw. Statusverlust arbeiten nicht wenige Führungskräfte tatkräftig operativ mit, anstatt sich auf Managementaufgaben zu konzentrieren und auf Spezialisten zu verlassen.

Sieht man sich diese Hinderungsgründe genauer an, stellt man fest, dass ein Großteil von Vorbehalten und alten Denkweisen geprägt ist. Zeit, etwas zu ändern. Beginnen wir mit unserer inneren Einstellung. Denn dass Führung in Teilzeit funktioniert, beweisen Kathrin Schaffner und viele andere täglich aufs Neue.

Führen mit Dialog und Feedback

Frau zieht Kind auf Schlitten durch Schnee

Viele Führungskräfte, wie beispielsweise auch Kathrin Schaffner, arbeiten instinktiv mit dem Klären von Erwartungen. Erwartungen sind Annahmen, die an das Handeln, eine Reaktion oder Entwicklung z. B. einer Person gestellt werden. Diese können sich an andere Personen richten, aber auch an einen selbst. Als Instrument der Personalführung spricht man vom sogenannten Erwartungsmanagement. Dabei ist es für Führungskräfte und ihre Mitarbeiter wichtig, gegenseitige Erwartungen zu klären. Hier geht es nicht darum, diese Ansprüche erfüllen zu müssen. Doch man muss sie erst einmal kennen. Dann erst kann man sondieren, aussortieren, korrigieren, erweitern, streichen. Wer dies nicht tut, riskiert leichtfertig und überflüssigerweise Enttäuschungen. Denn Enttäuschungen sind immer unerfüllte Erwartungen.

Wer als Führungskraft im Dialog mit seinen Mitarbeitenden bleibt - und nicht nur im inneren -, hält sich und andere up-to-date, was den Lauf der Dinge und die begleitende Stimmung angeht. Man setzt so ein wichtiges Zeichen von Interesse und Wertschätzung. Wichtig ist hierbei auch das Vertrauen in die Kompetenz des anderen. Vielleicht wird ein Thema nicht den eigenen Erwartungen entsprechend erledigt - aber vielleicht wird es dadurch sogar noch besser. Und wenn nicht, ist es umso wichtiger, sich durch Dialog und Feedback auf Augenhöhe einem gemeinsamen Verständnis zu nähern. (Quellen: Wikipedia und Organisationsberatung.net)

Auf dem linken Bild läuft eine Frau mit grauem Mantel. Auf dem rechten Bild sitzt diese Frau mit Mann und Kind an einem Esstisch

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