Junge Frau mit schwarzer Brille schaut mit ernstem Blick nach unten

Diversität durch Kleidung.

Outfits machen Leute.

Vielfalt hat viele Gesichter. Der eigene Kleidungsstil ist Ausdruck der Persönlichkeit. Dresscodes müssen deshalb offen für die Individualität der einzelnen Personen sein und gut kommuniziert werden.

Sakko oder Hoodie, Pumps oder Sneaker - darf ein Arbeitgeber seinem Team einen bestimmten Kleidungsstil vorschreiben? Vielleicht sogar noch geschlechterspezifisch auslegen - Frau trägt Rock und Mann trägt Hose? Dieser Gedanke wirkt eher veraltet. Und doch sind solche Formen des Dresscodes noch immer Gang und Gebe. Dabei geht es doch bei der Arbeit - und hier vor allem im Büro - darum, dass sie gemacht wird. Bestimmte Kleiderregelungen sollten nebensächlich sein. Jeder Mensch hat andere Kleidung, in der er sich wohlfühlt. Die einen mögen am Arbeitsplatz lieber Hemd, Bluse und Blazer tragen, weil sie sich dann in ihrem Arbeitsoutfit passend gekleidet fühlen und dadurch ihre Produktivität steigern. Andere möchten vielleicht lieber ein Kleid oder den selbstgestrickten Pullover anziehen. Wie eng darf man Dresscodes fassen? In der Versicherungsbranche herrschen häufig noch klare Vorstellungen eines einheitlichen, klassischen Dresscodes vor: Bluse, Stoffhose oder Rock und Blazer für Frauen, Anzug für Männer. Doch der aktuelle Unternehmensalltag der NÜRNBERGER zeigt: Die "eine" Kleidungsvorschrift gibt es mittlerweile nicht mehr. Allerdings sah das noch vor zehn Jahren anders aus. Da brachte die NÜRNBERGER ihren eigenen Knigge heraus.

Dresscodes als Zwang?

Der ursprüngliche Knigge ist ein Buch von Adolph Freiherr von Knigge aus dem 18. Jahr­hundert. Titel dieses Werkes war simpel: "Über den Umgang mit Menschen." Ihm ging es in erster Linie um Tugenden wie Pünktlichkeit, Freundschaft, Verantwortung und Verlässlich­keit. Der Anspruch war es, ein konservatives und seriöses Auf­treten in Kleidungsstil und Umgang zu etablieren. Im Gegen­satz zum Ursprungs-Knigge, war die NÜRNBERGER-Version auf Etikette und strenge Kleidungs-und Handlungsempfehlungen ausgelegt. Jeder Mitarbeitende erhielt bei der Veröffentlichung im Januar 2013 ein eigenes Exemplar mit persönlichem Anschreiben - das galt auch für Personen, die neu an die NÜRN­BERGER kamen. Darin fanden sich neben Benimmregeln auch klare Richtlinien, wie man sich zu kleiden hatte. Hier wurde kein Unterschied gemacht, ob der Betreffende Kundenkontakt hatte oder im Büro saß. Wieso auch: Die NÜRNBERGER sollte ein einheitliches Erscheinungsbild bekommen. Die Kleiderregeln waren sehr eng gefasst. So war vorgeschrieben, was Frauen mit mehr Figur bei ihrer Kleiderwahl beachten sollen oder dass Männer bei offiziellen Anlässen ausnahmslos im Anzug zu erscheinen haben. Macht so ein Dresscode gepaart mit strengen Verhaltensregeln Sinn? Ist er nicht vielleicht sogar ein Hindernis für die Vielfalt in einem Unternehmen? Diese Fragen beantwortet Werner Widuckel, Sozialwissenschaftler und Professor für Personalmanagement und Arbeitsorganisation an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und erklärt die Bedeutung von Dresscodes etwas genauer: "Sofern der Dresscode als angemessen empfunden wird, kann er eine gemeinschaftsfördernde Wirkung bzw. Ausdruck einer bewusst dargestellten Haltung sein. Denken Sie z. B. an einen Dresscode bei Beerdigungen oder den Dresscode von durchaus diversen Mannschaften im Sport. Es sieht anders aus, wenn der Dresscode als Zwang empfunden wird, weil dessen Sinnvermittlung als nicht überzeugend erscheint - z. B. Krawattenzwang."

Junge Frau und älterer Mann in Business-Kleidung unterhalten sich

Noch vor wenigen Jahren war der Kleider-Codex in der Versicherungsbranche recht uniform: gedeckte Farben, gebügelte Hemdkragen, Blazer, Sakko und Kostüm signalisierten Seriosität.

Wann also sind Bekleidungs- oder Verhaltensvorschriften sinnvoll im Sinne von Corporate Identity oder Corporate Behaviour? Wann werden sie zu Recht als beengend abgelehnt? Matthias Schenk, PR-Referent der NÜRNBERGER, wurde damals beauftragt, den "Knigge" zu verfassen und interne Schulungen zu konzipieren. Er selbst hat einen klassischen Kleidungsstil - meist in Dunkelblau, eher unauffällig. "Ich bin einfach bequem," lacht er. "Weißes Hemd und eine dunkelblaue Hose sind einfach gut zu kombinieren, da muss ich am Morgen nicht lange nachdenken." Der Kniggeexperte nahm die Kleidungsvorschrift schon damals nicht so bierernst - wie übrigens ein Großteil des Teams: "Knigge ist dem Zeitgeist unterworfen. Genauso wie die Etikette, die Nettikette und auch die Kleidung sich stets anpassen. Heutzutage laufen CEOs und Politiker viel legerer herum als vor zwanzig Jahren. Aber manche Dinge sind eben zeitlos, wie der Respekt voreinander. Knigge handelt von Toleranz und Respekt." Wie sehr der Unternehmens-Knigge in die optisch ausgedrückte Vielfalt der Mitarbeitenden eingriff, lässt sich am Absatz "Worauf Sie lieber verzichten sollten" zeigen: Hier finden sich Punkte wie sichtbare Piercings und Tätowierungen, Frisur mit Pferdeschwanz, Hose mit Gürtelschleifen ohne Gürtel, sichtbare Hosenträger, bunte Socken oder solche mit Gag-Motiv, zweifarbige Schuhe, Ohrringe oder übermäßiger Schmuck.

Zitate

"Heutzutage laufen CEOs und Politiker viel legerer herum als vor zwanzig Jahren. Aber manche Dinge sind eben zeitlos, wie der Respekt voreinander."

Matthias Schenk, PR-Referent bei der NÜRNBERGER

Schenk stimmt hier zu: "Der NÜRNBERGER Knigge war sicher sehr eng gefasst und hat einige Menschen eingeschränkt. Aber wie gesagt, er unterliegt Trends und dem Zeitgeist. Die Versicherungsbranche hat sich gewandelt und die NÜRNBERGER auch. Nachdem die Sinnhaftigkeit niemandem mehr so klar war, haben wir den NÜRNBERGER-Knigge langsam ausgeschlichen." Neue Mitarbeitende bekommen keinen Knigge mehr. Es gibt auch keine Schulungen mehr. Das bestätigt das bunte Erscheinungsbild der NÜRNBERGER von heute. Natürlich gibt es noch immer Menschen, die lieber mit Anzug oder Hemd in die Arbeit kommen. Da ist auch nichts falsch daran. Aber genauso gibt es auch Menschen, die einen Hoodie tragen oder eine Jeans. Pferdeschwänze laufen den Besuchern über den Weg und auch auffallende Ohrringe, Piercings oder Tätowierungen sind auf den Fluren zu entdecken.

Kleider sind situationsabhängig

Der NÜRNBERGER Knigge ist nun Geschichte, aber bei den Beschäftigten noch immer ein Gesprächsthema. Die meisten sind bereits viele Jahre bei der NÜRNBERGER, sie haben sogar noch ihr Exemplar zu Hause. Alle sind froh, dass sie ihre Kleiderwahl nun individueller gestalten können. Das heißt übrigens nicht, dass man nicht trotzdem stolz ist, bei der NÜRNBERGER zu arbeiten. Den gebrandeten Hoodie sieht man nämlich sehr häufig. Wenn Kleidung Leute macht, dann ist doch die Frage, ob freiwilliges Tragen nicht mehr Zugehörigkeit und Gemeinschaftsgefühl vermittelt als eine feste Büro-Uniform. Ein positives Gemeinschaftsgefühl kann man schließlich nicht erzwingen. Es ist vielmehr ein Ort, an dem man sich wohlfühlt, weil man ein nettes Team, eine tolle Führungskraft und ein gutes Arbeitsumfeld hat. Auf dem Weg zu mehr Vielfalt am Arbeitsplatz ist es nur ein kleiner Schritt, aber er macht mutiger. Man kann schließlich selbstbewusster sein, wenn man sich in seinem Auftreten und in seinem Umfeld wohlfühlt.

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