Die NÜRNBERGER Versicherung passt angesichts außergewöhnlicher Belastungen in der Schadenversicherung ihre Erwartungen für das Konzernjahresergebnis 2023 an. Trotz einer sehr guten Entwicklung des Leben- und Krankengeschäfts wird sie wegen außergewöhnlich hoher Belastungen in der Sachversicherung ihr Jahresziel nicht erreichen und geht jetzt von 45 Mio. statt 60 Mio. EUR aus. Finanzvorstand Jürgen Voß erklärt im Interview die Hintergründe.
Herr Voß, Sie nehmen Ihre Ergebnisprognose für dieses Jahr zurück, nachdem sie erst im Zuge der Halbjahresberichterstattung bestätigt worden war. Was ist passiert?
Das Thema Kostenexplosion, insbesondere in der Versicherung von Kfz und Leitungswasser ist derzeit ein akutes Branchenthema. Der GDV hat das bereits Ende Juli thematisiert, andere börsennotierte Versicherer haben in den letzten Wochen ihre Gewinnerwartungen zurückgenommen. Insbesondere die Inflation treibt hier die Preise massiv in die Höhe, und auch die Häufigkeit an Schäden hat – nach Corona – wieder zugenommen. Das hat unsere Grundschadenlast schon im ersten Halbjahr stark belastet. Die Prämien decken hier die Schäden bei weitem nicht mehr und an einer Anpassung wird kein Weg vorbeiführen. Da wir im ersten Halbjahr, der Hauptsaison für Unwetter und Hagelereignisse, deutlich weniger Groß- und Elementarschäden hatten als im Vorjahr, konnten wir unsere Jahresprognose in der Halbjahresberichterstattung bestätigen.
Und dann hagelte es ein Unwetter nach dem anderen im August…
In der Tat. Im August gab es eine massive Häufung von einzelnen Starkwetterereignissen über ganz Deutschland verteilt. Die Schäden daraus fallen mit über 20 Mio. EUR allein in diesem Monat unerwartet hoch aus, denn auch hier treibt neben der Häufigkeit die Inflation die Kosten in die Höhe. Wir brauchen Lösungen, wie derartige Schäden nicht nur in diesem Jahr für uns, sondern zukünftig für unsere Gesellschaft finanzierbar bleiben. Aus unserer Sicht kann das nur durch Prävention und der damit einhergehenden Reduktion der Schadenhöhen und -frequenzen funktionieren.
Für derartige Fälle gibt es doch Rückversicherungsverträge.
Das ist grundsätzlich richtig, trifft in diesem Fall aber nur auf einen kleinen Teil in Kasko zu, da in der Sachversicherung fast alle Elementarereignisse innerhalb unseres Selbstbehalts bleiben, d.h. unter der Schwelle, ab der unsere Rückversicherung greift. Deshalb müssen wir diese hohe Schadensumme selbst tragen. Die Rückversicherer hatten wegen der häufiger und teurer gewordenen Schäden ihre Preise schon über die vergangenen Jahre massiv erhöht.
Was heißt das für das Jahresergebnis? Können die anderen Geschäftsfelder die Ergebnisbelastung in der Schadenversicherung nicht ausgleichen?
Trotz des sehr guten Geschäftsverlaufs in den anderen Geschäftsfeldern werden wir unser angestrebtes Jahresziel von 60 Mio. € leider nicht erreichen. Wir erwarten für das Jahr 2023 jetzt ein Ergebnis von rund 45 Mio. €. Das ist vor allem deshalb enttäuschend, weil wir mit dem bisherigen Geschäftsverlauf in den Personenversicherungssparten Lebens- und Krankenversicherung ebenso wie bei den Bankdienstleistungen sehr zufrieden sind. Insbesondere die Ergebniserwartungen liegen hier auf Planniveau, teilweise sogar darüber. Hier zeigt sich wieder der Vorteil unseres diversifizierten Geschäftsmodells. Besonders die Personenversicherungssparten sind mit ihrem langfristig ausgerichteten und wenig volatilen Geschäftsmodell für uns wie ein stabiler Anker.
Was heißt das für das nächste Jahr? Und für die Dividende?
Für das Folgejahr veröffentlichen wir keine Ergebniserwartung. Ich kann aber unsere bisherige Kommunikation voll bestätigen: In drei bis vier Jahren wollen wir bei einem Konzernergebnis von über 100 Mio. EUR liegen.
Die Dividendenhöhe wird natürlich erst im nächsten Jahr feststehen und muss ja am Ende auch von der Hauptversammlung bestätigt werden. Auch hier gilt, was wir bisher gesagt haben: Eine konstante oder steigende Dividende ist für uns das vorrangige Ziel. Und das haben wir seit Gründung unserer Holdinggesellschaft vor 34 Jahren immer zuverlässig geschafft. Ich habe keinen Zweifel, dass das so bleiben wird.
Und was sagen Sie den Mitarbeitenden und Kunden?
So eine zufällige und unglückliche Häufung von Schadenfällen gehört zu unserem Geschäft, und darauf sind wir vorbereitet. Da muss sich niemand Sorgen machen. Wir sind und bleiben verlässlich. Auch wenn wir uns selbstverständlich eine andere Entwicklung unseres Ergebnisses gewünscht hätten: Unseren Kunden in Notsituationen beiseite zu stehen, ist unsere vornehmliche Aufgabe. Dafür schenken sie uns ihr Vertrauen, das wir nicht enttäuschen werden.